Biberburg – Kinder- und Jugendhilfe Pfortzen GbR

Kategorie: Presse  |  Datum: 22.12.2013

Ein Ort für angestaute Emotionen

Sozialprojekt Seit September gibt es in Pforzen die Kinder- und Jugendhilfe­einrichtung Biberburg

VON JESSICA GSELL

zeitungPforzen „Now I´m sick of this wai­tin’, so come on and take your shot!“ („Mich macht dieses Warten krank, deshalb komm und nimm den Kampf auf!“) steht in großen schwarzen Buchstaben über dem Bett der 15-jährigen Tamara (Namen von der Redaktion geändert). Eine Passage aus dem Lied „Me against the world“ von Simple Plan. Und gleichzeitig ein Einblick ins In­nere des jungen Mädchens. „Früher hatte ich Probleme mit anderen Menschen. Es war für mich nie ganz leicht, anderen zu vertrauen“, er­zählt Tamara. Über den Grund für dieses Misstrauen schweigt sie. „Hier ist es ganz anders. Hier sind nette Menschen, die einem helfen“, meint Tamara und lächelt. Hier, da­mit meint die 15-Jährige die Kin­der- und Jugendhilfeeinrichtung Bi­berburg in Pforzen. Seit September ist das Wohnheim, das idyllisch in einem Auwald neben der Wertach liegt, in Betrieb.

Christiane Hermann, ihres Zei­chens Ärztin, hat zusammen mit ih­rem Lebensgefährten Martin Tho­ma, einem Erlebnispädagogen, das Anwesen gekauft. Fast zwei Jahre lang haben die beiden die Gebäude komplett renoviert. „Mit eigenen Mitteln und Herzblut“, wie Thoma betont. Rund eine Million Euro habe das Paar bislang in das Projekt gesteckt. Die heilpädagogisch-the­rapeutische Kinder-und Jugend­hilfeeinrichtung kann in drei Wohn­gruppen insgesamt 23 Heranwach­sende von sechs bis 17 Jahren auf­nehmen. Sie haben je ein eigenes Zimmer sowie einen gemeinsamen Aufenthaltsraum. „Momentan ha­ben wir zwölf Kinder und Jugendli­che bei uns“, berichtet Einrich­tungsleiter Peter Siffl.

Die Überforderung der Eltern wegen Arbeitslosigkeit oder psy­chischer Erkrankungen; Verhal­tensauffälligkeiten aufseiten der Kinder wegen Missbrauch oder be­einträchtigter Persönlichkeitsent­wicklung – so unterschiedlich ihre Geschichten sind, eines haben die jungen Menschen, die in die Biber­burg kommen, gemeinsamen: Die Beziehung zwischen Eltern und Kind funktioniert nicht richtig, so­dass die Heranwachsenden Sozial­defizite aufweisen. Diese sollen in der Einrichtung abgebaut werden. „Die Kinder haben viele angestaute Emotionen, mit denen sie nicht um­gehen können“, erklärt Hermann, „deshalb brauchen wir viel Geduld, Mitgefühl und Intuition gepaart mit Professionalität.“ Keinen Platz in der Biberburg haben unter anderem junge Menschen mit psychischen Störungen oder einem Suchtpro­blem. Hierfür fehle das nötige Fach­personal. Für Christiane Herman, selbst Mutter zweier bereits er­wachsener Kinder, ist die Einrich­tung eine Herzensangelegenheit: „Ich hatte eine privilegierte Kind­heit. So etwas ist nicht selbstver­ständlich. Deshalb möchte ich ein bisschen was an die Gesellschaft zu­rückgeben.“

Die Kinder und Jugendlichen werden über die Jugendämter an die Biberburg vermittelt. Vorausset­zungen sind eine entsprechende Schule sowie die Familien in der Nähe, für Besuche am Wochenende und in den Ferien. Oberstes Ziel sei es nämlich stets, die jungen Men­schen so bald wie möglich wieder in ihre Familien zu entlassen, erklärt Siffl. Außerdem wird bei einem Vorstellungsgespräch zunächst ge­klärt, ob der junge Mensch über­haupt in der Einrichtung bleiben will. Der erste Eindruck von Max war eigentlich eindeutig: „Hier will ich nicht sein.“ Doch nach zwei Wo­chen sieht es der 17-Jährige etwas anders: „Daheim stresste immer die Familie, hier hab ich das nicht.“ Der Jugendliche meint dabei seine Mut­ter, mit der er nicht klarkommt.

Was Max, wie auch der Mehrzahl der anderen Heranwachsenden, fremd ist, ist ein geregelter Tages­rhythmus. Hier in der Biberburg werden drei Mahlzeiten gemeinsam eingenommen, es geht zur Schule, Hausaufgaben werden gemacht und am Nachmittag gibt es ein vielfälti­ges Freizeitprogramm. Vor allem hier sei es schön zu sehen, wie die jungen Menschen „sich gegenseitig erziehen und gut tun“, sagt Thoma, und wie sie immer mehr an Selbstsi­cherheit und Selbstvertrauen im Umgang miteinander gewinnen. Damit das Konzept der Biberburg gelingt, sind fünf hauptamtliche Pä­dagogen 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, im Einsatz.

Artikel aus der Allgäuer Zeitung als PDF zum Download:

Ein Ort für angestaute Emotionen

Mit freundlicher Genehmigung der Allgäuer Zeitung